
Issues
Ein asymmetrischer interaktiver Prozess zur beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung
Supervision in der Psychotherapie
Die mit dieser Ausgabe beginnende Artikelreihe auf der Website des SANP vermittelt Anregungen, wie Supervision in der Psychotherapie, insbesondere in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, sinnvoll und methodisch effizient eingesetzt werden kann.
Supervision ist in den sogenannten «helfenden» Berufen für Fachleute in kinder- und jugendpsychologischen und -psychiatrischen Institutionen, Beratungsstellen und Praxen ein unerlässlicher Bestandteil der Aus- und Weiterbildung und der Qualitätssicherung.
Das Erlernen und die Erweiterung von Fähigkeiten zur selbständigen, qualifizierten, verantwortungsvollen und kompetenten Durchführung von Supervision in verschiedenen Settings in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie lässt sich am besten durch den direkten Kontakt im Sinne eines interpersonellen Teachings erreichen.
Diese Artikelreihe basiert auf der jahrzehntelangen Erfahrung und der gemeinsamen Tätigkeit der beiden Autoren, die dem systemischen Denken sehr verbunden sind. Sie leiten an den Universitären Psychiatrischen Kliniken für Kinder und Jugendliche in Bern und Zürich Supervisionskurse für institutionell arbeitende Ärztinnen und Ärzte sowie Psychologinnen und Psychologen, die Berufsanfänger in kinder- und jugendpsychiatrischen Institutionen einzeln oder in Gruppen zu supervidieren haben.
Der Begriff «Supervision» stammt vom Lateinischen «supra vedere», also «von oben sehen» ab. Man könnte dazu Francesco Petrarca (1304–1374) zitieren, der 1336 den Mont Ventoux in der Provence bestieg und «von oben» die Landschaft betrachtete: «Und es gehen die Menschen hin, zu bestaunen die Höhen der Berge, die ungeheuren Fluten des Meeres, die breit dahinfliessenden Ströme, die Welt des Ozeans und die Bahnen der Gestirne und vergessen darüber sich selbst» (Confessiones X,8).
Besonders in der in der kinder- und jugendpsychiatrischen und -psychotherapeutischen Arbeit im Netzwerk mit Eltern, Familien, Schulen, Sozial-, Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden ist die Rolle und Aufgabe der diagnostisch und therapeutisch arbeitenden Person zu klären – für die Klienten, für das System, aber auch für sie selbst.
Wenn Supervision vorwiegend als ein Gespräch zwischen einer erfahrenen Berufsperson und einem Berufsanfänger verstanden wird, dann ist die berufliche Erfahrung des Supervisors ein wesentliches Kriterium. Selbstverständlich gilt dabei nicht einfach die Regel, dass die längere Berufserfahrung den Supervisor automatisch besser qualifiziert. Wer 20 Jahre lang unbelehrbar immer wieder dieselben Fehler macht, empfiehlt sich damit noch lange nicht als Supervisor. Wenn das Kriterium der Berufserfahrung wichtig ist, dann bedeutet das natürlich auch eine Berufserfahrung in dem Feld, in dem der Supervisand tätig ist.
Wenn Supervision vorwiegend bedeutet, eine Aussensicht zu vermitteln, damit der Supervisand aus seinen gewohnten Wahrnehmungsempfindungs- und Denkmustern heraustreten kann, dann stehen beim Supervisor therapeutisch-didaktische Erfahrungen und Qualitäten stärker im Vordergrund, um diesen Perspektivenwechsel vermitteln zu können.
Wenn Supervision vorwiegend als Entwicklungsförderung von Berufskolleginnen und -kollegen verstanden wird, sind beim Supervisor vorwiegend Qualitäten gefragt, die es ihm erlauben, Ressourcen beim Supervisanden zu erkennen und zu fördern.
Wir hoffen, mit dieser Artikelreihe einen Beitrag zum Verständnis der Supervision zu leisten, die wir als einen asymmetrischen interaktiven Prozess zur beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung von Berufskolleginnen und -kollegen verstehen.
Die ersten drei Artikel im SANP-Blog
Zum Start der Artikelserie finden Sie folgende Artikel unter https://sanp.ch/online-only-content:
– Einleitung
– Fallbesprechung und Supervision
– Supervisionsmodelle
Literatur
1 Petrarca F. Confessiones. Paris: Migne; 1861.
2 Felder W, Schürmann K. Guidelines für Supervision in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. PSY & PSY Bulletin. 2011;2(11):7.
3 Jellinek M. Primary supervision. J AACP. 2007;46(5):553–7.
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