Book review

Reinhard Plassmann: Psychotherapie der Emotionen

Die Bedeutung von Emotionen für die Entstehung und Behandlung von Krankheiten

DOI: https://doi.org/10.4414/sanp.2020.03080
Publication Date: 10.04.2020
Swiss Arch Neurol Psychiatr Psychother. 2020;171:w03080

Kunz-Mehlstaub Susanne

Giessen: Psychosozial-Verlag; 2019.

308 Seiten.

Preis: Euro 36,90.

ISBN: 978-3-8379-2884-6.

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Abbildung 1
Buchcover

Mit neuen Informationen sowie gut sortierten, interessanten Fallbespielen und ergänzenden theoretischen Ausführungen des Autors, ist das vorliegende Werk sehr lesenswert. Sein Aufbau gliedert sich in zwei grosse Teile. Im ersten werden die Grundlagen behandelt und der zweite Teil thematisiert Krankheitsbilder sowie Methoden der Psychotherapie der Emotionen. Wie der Titel schon vorwegnimmt, wird die Bedeutung der Emotionen für die Therapie in den Vordergrund gerückt.

Negative Emotionen als krankmachende Faktoren binden viel Energie und führen zu Chronifizierung. Die Mechanismen seelischer Erkrankungen sind als Muster zu verstehen, die im Sinne des Konzepts von sog. «Attraktoren» für die Entstehung und Überwindung der Erkrankungen verantwortlich sind. Psychosomatische oder auch allgemein chronifizierende seelische Störungen tendieren zu eben diesen Musterbildungen (Verfestigungen). Für die Veränderung krankmachender Faktoren bedarf es einer jene Muster verändernde Kreativität.

Aufbauende Schritte der Reorganisation negativer Emotionen bestehen in der Wahrnehmung der emotionalen Resonanz, ihrer Regulierbarkeit und Integration als ein komplexes Geschehen in der Therapie. Hierbei handelt es sich um emotional wechselseitige Prozesse zwischen Therapeut und Patient und sich ergänzender Wahrnehmungen, was auch als «Intersubjektivität» bezeichnet wird und neben der Bedeutung der Emotionen als weiterer Fokus betrachtet werden sollte.

Aus der Geschichte der Emotionen lassen sich die Psychoanalyse und Sigmund Freud nicht wegdenken. Besonders gewürdigt wird hier der Analytiker Wilfred Bion, ein Schüler Melanie Kleins, der viel zur Emotionsforschung beigetragen hat. Zu den Theorien der Entstehung und Entwicklung der Emotionen trugen zudem die moderne Säuglingsforschung bei mit Louis Sander (als einem der Ersten) und Daniel Stern et al (1977), aber auch die Neurobiologen, mit Autoren wie Eric Kandel (Kurz- und Langzeitgedächtnis) und Joseph LeDoux (positive Emotionen) sowie Antonio Damasio, der sich mit dem Bewusstsein und deren Unterschieden zwischen Mensch und Tier oder den Fragen nach Identität und Emotionen befasst hat. Gemäss Damasio sind Emotionen gebunden in Objekten, die sich aufbauend in Phasen entwickeln, und zwar in der Bildung eines Selbst: als erstes eines Protoselbst, als zweites eines Kernselbst und als drittes eines autobiographischen Selbst. Es entsteht emotionales Wissen, das in Veränderungsprozessen in Form von emotionaler Resonanz, ihrer Regulation und ihrer Transformation zum Ausdruck kommt. Diese und weitere Ansätze konnten der Emotionsforschung entscheidende Impulse vermitteln. Es werden insbesondere die Bindungsforschung, das Mentalisierungsmodell und die mittlerweile gut beforschte EMDR-Methode im Bereich der Traumatherapie als weitere Meilensteine der Emotionsforschung referiert. Die verschiedenen Autoren werden hinsichtlich ihrer Beachtung von Emotionen für Theorie und Therapie untersucht und kritisch beleuchtet.

Im therapeutischen Prozess ermöglicht der Fokus auf die Emotionen für Patientinnen und Patienten wie auch Therapeutinnen und Therapeuten einen direkteren Zugang zu maladaptiven Mustern mit deren Regulation und Verarbeitung. Die besondere Beachtung der Emotionen als Leitlinie therapeutischen Vorgehens führt zu einer Bereicherung im Therapieprozess und ist als erfrischende Anregung zu nutzen.

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